Im Jahr 771 nach Christus, einer Ära, die heute oft von den Schatten des Mittelalters verschluckt wird, stand ein Gebäude in der Mitte eines germanischen Dorfes wie ein fester Anker. Es sah ein bisschen fremd aus zwischen den Hütten aus Lehm, größer und prächtiger. Gebaut hatten es die Römer, viele hundert Jahre zuvor, als die Region noch Teil des Imperiums war. Blitrud, auch Trudi genannt, deren Herkunft und Geschichten im Dunkel der Zeit verborgen sind, lebte in dem Haus, das von allen Villa Sulmana genannt wurde. Sie hatte es zu einer wohlhabenden Grundbesitzerin gebracht. Es gibt nur wenig schriftliches Zeugnis von ihr und ihrem Leben, denn Lesen und Schreiben konnten nur eine Handvoll kirchlicher Gelehrter. Informationen wurden stattdessen, wie schon immer, in Liedern und Geschichten übermittelt. Die Idee von nur einem Gott war etwas Neues, sehr wenige bezeichneten sich als Christen. Hier glaubten fast alle noch an die Kraft von Odin und Thor.
Die Welt war eine andere. Wände waren aus Holz oder Lehm, die Dächer aus Stroh. In glaslosen Fensteröffnungen hingen Felle zur Wärmedämmung, wenn der Winter kam. Häuptlinge führten Stämme an, die miteinander Handel trieben. Oder sich bekriegten.
Die Menschen zu Trudi’s Zeiten waren stark von den Launen der Natur abhängig. Den größten Teil des Jahres roch es in den Häusern nach Feuer, der einzigen Licht- und Wärmequelle. Edison würde die Glühbirne erst über 1000 Jahre später erfinden. Es gab kaum befestigte Straßen und keine Badezimmer. Doch Neckarsulm, das gab’s schon. Genau da, wo die Villa Sulmana stand. Genau da, wo wir heute sind. Trudi und ihr Mann vermachten ihr Anwesen im Jahr 771 dem Kloster zu Lorsch.
Es ist die erste urkundliche Erwähnung unserer schönen Stadt.